Archiv des Autors: Christian Frey

Von bösen Orks und guten Zwergen

In jeder Reportage, die man über den Krieg in der Ukraine lesen kann, findet man Referenzen auf J R R Tolkiens „Herr der Ringe“. Da ist von „Orks“ zu lesen, die von Osten her angreifen und von Männern, die sich „Gimli“ nennen.

Ein amerikanischer Kollege schrieb mir vor kurzem von „orcish T54s“. Und in der sozialen Medien kursieren eine Menge Memes zum Thema. Der Bezug zum Werk Tolkiens ist aber weit mehr als nur eine postmoderne Medienreferenz – obschon sich der Bezug anbietet, um die absurd böse Aggression Russlands auch nur ansatzweise mit Bedeutung zu belegen und erzählbar zu machen.

Der Begriff „Ork“ ist sehr viel älter, als man annehmen möchte. Er leitet sich vom Lateinischen orcus ab, was Unterwelt bedeutet. Schon Plinius der Ältere verwendet orc als Name für ein Ungeheuer. Von diesem Ursprung an wird Ork/orc als Bezeichnung für Ungeheuer und böse Wesen immer wieder in der europäischen Sprachfamilie über die Zeit des Mittelalters verwendet – bis ihn Tolkien entdeckt und für sein fantastisches Werk verwendet. Als belesener Philologe und Professor für englische Sprachwissenschaft nutzt er die reichen Steinbrüche der älteren nordischen Literatur für sein Schaffen. So entstammen sehr viele Namen den Sagas oder lateinischen Quellen des Mittelalters.

Mit der Belegung der russischen Invasionskräfte als „Orks“ findet also nicht nur eine moderne Referenzierung statt, sondern hier werden sehr viel ältere narrative Strukturen bemüht. Der Angriff aus dem Osten ist eine westeuropäische Urangst. Die ukrainischen Soldaten, die sich bewusst „Gimli“ nennen, stellen sich also auch in eine Tradition, die sich kommunikativ im Westen verwurzelt. Die reichhaltigen Bezüge zum Wikingertum, das Verwenden von Runen und der Bezug zur Fantasieliteratur zeigen die Suche nach Identität, die sich bewusst vom östlichen Nachbar abgrenzt und sich dem freien Europa zuwendet.

Links:

https://www.welt.de/politik/ausland/plus245381310/Bachmut-Dann-bricht-im-russischen-Schuetzengraben-Panik-aus.html

https://www.rnd.de/panorama/ukraine-warum-die-russischen-besatzer-als-raschisten-und-orks-bezeichnet-werden-7YJ423VZ4DM64XMTDT6H35OSAM.html

Was ist Geschichte?

Unter Geschichte verstehen wir drei Dinge. Zum einen ist damit die Gesamtheit der Vergangenheit gemeint, vom Urknall bis zur Gegenwart. Zum zweiten meint Geschichte die Vergangenheit der Menschheit, die als Bedingung unserer gegenwärtigen Realität verstanden wird. Zum dritten ist Geschichte aber auch eine Wissenschaft. Jede Wissenschaft beruht auf Beobachtungen, die Menschen machen und die diese dann kritisch überprüfen, kontextualisieren und interpretieren. 

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Denkmale in Kontexten – Überlegungen zum „Monumentop“

Jeder kennt das Biotop. Abgeleitet vom griechischen βίος für „Leben“ und τόπος für „Raum“ bezeichnet der Begriff die kleinste Einheit der Biosphäre: den Lebensraum als Ort einer Lebensgemeinschaft. Entstanden ist diese wissenschaftliche Wortneuschöpfung in einer Diskussion im frühen 20. Jahrhundert, als um Begrifflichkeiten zur Bezeichnung von biologischen Einheiten gerungen wurde – abgeleitet vom „Zootop“ wurde „Biotop“ von Friedrich Dahl geprägt, der sich gegen den Begriff „Biosynöcie“ wehrte:

Will man nicht nur die Tiere, sondern auch die Pflanzen in die Bezeichnung einschließen, so kann man die deutschen Worte »Gewässer- und Geländearten« als »Biotope» wiedergeben.

Friedrich Dahl: Grundsätze und Grundbegriffe der biocönotischen Forschung. In: Zoologischer Anzeiger 33 (1908), Nr. 11: S. 349–353, S. 351.

Die in dem Begriff „Biotop“ erkennbar werdende wissenschaftliche Weltsicht, Kontexte wie Räume und Beziehungen in die Forschung mit einzubeziehen hat seit dem Fin de Siècle eine große Wirkmächtigkeit entwickelt.

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Digitale Ausstattung verbessern!

Eines der großen Probleme des Distanzlernens ist der Mangel passender Computer-Infrastruktur in einigen Haushalten. Ganz besonders ärmere Familien können sich nur wenig oder auch oftmals gar keine digitale Ausstattung leisten. Gute Rechner sind teuer, Mobiltelefone und Tablets können nur sehr begrenzt als Ersatz eingesetzt werden. Obwohl ich da auch andere Erfahrungen gemacht habe – es ist erstaunlich, was die jungen digital natives auf ihren Handys so vollbringen.

Eine Lösung könnte der Raspberry Pi sein. Der Kleincomputer wurde entwickelt, um niederschwellig und kostengünstig als informatisches didaktisches Mittel eingesetzt zu werden. Man könnte auch sagen: Damit man damit basteln kann. Mittlerweile gibt es die vierte Generation des kleinen Wunderdings, die jetzt auch integriert in eine Tastatur angeboten wird. Das Betriebssystem ist ein kostenfreies und quelloffenes Linux, das schon mit sehr viel nützlicher Software ausgeliefert wird. Nachinstallationen sind problemlos möglich.

https://www.raspberrypi.org/blog/closing-the-digital-divide-with-raspberry-pi-computers/

Die Preise für den Raspberry Pi sind wirklich moderat. Für etwa 115 € bekommt man den Raspberry Pi 400, das Modell mit Tastatur. Dazu gibt es eine Maus, das Netzteil und ein wirklich gut gemachtes Buch.

Was brauchen wir noch? Einen Monitor – für ein günstiges Modell darf man etwa 100 € veranschlagen. Eine passende Webcam gibt es für etwa 30 € im Handel. Wenn man auf einen Drucker verzichtet läge man insgesamt bei einem Anschaffungspreis von etwa 250 €. Ein möglicher Weg, um schlecht ausgestatteten Familien eine digitale Teilhabe zu ermöglichen!

Distanzlernen

Die Erfahrungen der letzten Zeit haben uns gelehrt, das Distanzlernen eine besondere Herausforderung für Schüler und Lehrer ist. Mir sind fünf Punkte besonders wichtig:

  1. Rede mit den Kindern, den Eltern, den Kollegen. (Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Was uns allen fehlt, ist der Austausch. Vieles lässt sich durch ein Gespräch klären. Versuche immer, soviel Nähe herzustellen, wie möglich – ohne dabei nahe zu sein. Fordere von den Kindern ein, dass sie die Kamera anmachen, rufe die Eltern an, bevor sie dir schreiben, nimm dir Zeit für deine Kollegen.)
  2. Reduziere den Stoff, denn weniger ist manchmal mehr. (Zuhause ist nicht in der Schule. Vergiss nicht, dass die Arbeitssituation der Kinder momentan nicht mit der in der Schule vergleichbar ist. Deswegen nutze deine Expertise, um auf Notwendiges zu reduzieren.)
  3. Fordere, aber überfordere nicht. (Du darfst ruhig etwas von den Kindern erwarten. Aber du darfst nicht Zuviel erwarten.)
  4. Achte auf dich. (Du bist ein wichtiger Teil der Gesellschaft, denn du kümmerst dich um lernende Kinder. Deswegen darfst du dich auch nicht überfordern. Lass es zu, dass du nicht perfekt bist. Fehler machen ist erlaubt!)
  5. Halte dich an die Schulzeiten. (Eine Tagesstruktur ist gerade nicht durch äußere Faktoren gegeben. Du hast die Verantwortung, den Kindern und dir gegenüber, diese aufrecht zu halten. Beginne den Tag früh und beende ihn pünktlich. Halte dich bei der Kommunikation mit den Kindern an den Stundenplan.)

Historische Gemütlichkeit, oder: Warum ein Feuer im Haus so wichtig ist.

Die Frage, welche Bedeutung ein Feuer in Herd, Ofen oder Kamin heute haben kann, treibt mich schon eine ganze Weile um. Die ersten Gedanken daran kamen mir, als ich vor einem Feuer saß und in die Flammen schaute. Feuer – und besonders ein offenes – übt eine seltsame Faszination aus. Der Tanz der Flammen, die Geräusche, die Wärme geben ein Gefühl von behaglicher Gemütlichkeit. Ein Feuer regt an, seinen Gedanken nachzuhängen, Geschichten zu erzählen und zu singen. Ich glaube, dass Feuer eine sehr zentrale Rolle in der Geschichte spielte. Dabei muss Feuer in den ersten Begegnungen dem frühen Menschen jedoch große Angst gemacht haben. Die zerstörerische Wirkung und die Gefahr, die von einem ungezähmten Feuer ausgeht, stellt immer noch eine große Bedrohung für Menschen dar. Ein eingehegtes Feuer aber, ein gezähmtes Feuer, ist die Quelle von Gemütlichkeit. Wo beginnt aber die Gemütlichkeit in der Geschichte? Weiterlesen

Elmsburg und Lucklum – der Deutsche Orden in der Elmregion

Christian Karl Frey, Wahrenholz

Als sich der Deutsche Orden 1190 in Akkon im Nahen Osten gründete, war er zunächst eine Spitalbruderschaft. Sein Sinn sollte die Versorgung von Kranken und Verwundeten sein, die es dort damals – im Zeitalter der Kreuzzüge – zu Genüge gab. Als Vorbild dienten die damals schon fast 100 Jahre alten Orden der Templer und Johanniter. Kaufleute aus Lübeck und Bremen schlossen sich zusammen, um ein Feldhospital bei der Belagerung Akkons zu betreiben, das zur Keimzelle des neuen Ritterordens werden sollte. 

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Fünf Jahre Herzog in Braunschweig

Ernst August und Viktoria Luise als das letzte Herzogspaar in Braunschweig von der Hochzeit 1913 bis zur Revolution 1918[1]

Christian Karl Frey, Wahrenholz

Die Geschichte des letzten Braunschweiger Herzogspaares begann in einem Pferdestall. Viktoria Luise schrieb in ihrer Biographie, dahin hätte sie Ernst August von Cumberland geführt, als dieser die Familie des Deutschen Kaisers besucht habe. Sein älterer Bruder, Georg Wilhelm, war bei einem Autounfall in Brandenburg gestorben. Der deutsche Kaiser schickte zwei seiner Söhne und ein paar Zieten-Husaren, um dem toten Erben der ehemaligen Könige von Hannover das letzte Geleit zu geben. Um sich für diese Freundlichkeit zu bedanken, wurde Ernst August nach Potsdam geschickt, wo er die Tochter des deutschen Kaiserpaares traf. Nachdem er zunächst recht verlegen gewirkt habe, so schildert Viktoria Luise in ihren Memoiren, habe sie ihn in den Pferdestall geführt und ihm ihre Vollblüter vorgeführt, schließlich sei er ein Kavallerist gewesen. Hier sei der junge Oberleutnant mehr und mehr aufgetaut: „die Unterhaltung wurde legerer und die Teestunde gemütlich.“[2]

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Gedanken zu: dem Umgang mit Geschichte

Nostalgie scheint mir ein wichtiger Antrieb zu sein, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen. Und dabei ist Nostalgie ein weiches Bett, in das man sich legen kann: Wir ergehen uns in der Liebe zur Vergangenheit, weil wir meinen, darin die „gute alte Zeit“ zu entdecken. Eine Zeit, in der alles noch etwas einfacher war, in der alles noch nicht so gehetzt und so komplex war. In der man noch ohne Smartphone und Internet leben konnte, in der man nicht immer erreichbar war und es im Winter noch schneite. Und es im Sommer Hitzefrei gab. Weiterlesen

Latein anders lernen, Pars Prima

Kann man Latein anders lernen, anders lehren? Ich glaube fest daran, dass es geht. In einer losen Serie von Beiträgen möchte ich andere Wege aufzeigen, wie Begeisterung für diese wunderbare Sprache geweckt werden kann. Die ausgetretenen Pfade der althergebrachten Grammatiken, die abschrecken, vieles sehr kompliziert erscheinen lassen und der Entwicklung eines natürlichen Sprachgefühls entgegenstehen, sollen zumindest zeitweilig verlassen werden. Es soll jedoch darauf geachtet werden, immer die „Landkarte“ der traditionellen Grammatik als Referenz zu nutzen. Weiterlesen