Gedanken zu: dem Umgang mit Geschichte

Nostalgie scheint mir ein wichtiger Antrieb zu sein, sich mit Geschichte auseinanderzusetzen. Und dabei ist Nostalgie ein weiches Bett, in das man sich legen kann: Wir ergehen uns in der Liebe zur Vergangenheit, weil wir meinen, darin die „gute alte Zeit“ zu entdecken. Eine Zeit, in der alles noch etwas einfacher war, in der alles noch nicht so gehetzt und so komplex war. In der man noch ohne Smartphone und Internet leben konnte, in der man nicht immer erreichbar war und es im Winter noch schneite. Und es im Sommer Hitzefrei gab.

Wir Menschen unterliegen hier aber einem grundsätzlichem Trugschluss. Denn zum einen verändert sich unsere Erinnerung beständig, sei es nun die individuelle oder kollektive. Erinnerungen neigen dazu, immer weniger komplex zu werden; Details gehen verloren oder werden geglättet, ebenso wie wir dazu neigen, Negatives zu verdrängen und Positives zu betonen. Zum anderen haben wir in der Nostalgie immer den Ausgang der Geschichte vor Augen und haben so den Zeitzeugen einiges voraus. Diese konnten in den nostalgisch verklärten Zeiten nämlich nur ahnen, was ihnen ihre eigene Zukunft bringt. Uns ist die vergangene Zukunft bekannt, wir beziehen sie in unsere Überlegungen zur Vergangenheit ein.

Steampunk, eine Art sich in einer möglichen Zukunft einer Vergangenheit zu wähnen, die unsere Gegenwart sein könnte (Quelle: wikimedia commons)

Nostalgie treibt ab und an seltsame Blüten. Sei es nun das Mittelalter, das „nacherlebt“ werden will, oder die Schlachten der napoleonischen Zeit, die man „nachstellt“ oder auch Bewegungen wie Steampunk, die eine mögliche Zukunft einer Vergangenheit, die unsere Gegenwart sein könnte (die Definition stammt nicht von mir, habe ich irgendwo aufgeschnappt) in den Mittelpunkt stellt. Die Beweggründe für diese aktiv-spielerische Art, mit Geschichte umzugehen, liegen in erster Linie in der nostalgischen Verklärung der dargestellten/nachgespielten Zeiten. Denn das größte Problem im Umgang mit Geschichte wird dabei oft verkannt: Wir können mit unserem Forschungsgegenstand nie in Berührung kommen. Geschichte ist vergangen, das ist ihre Natur. Der zeitliche Abstand hindert uns, Geschichte direkt und unmittelbar zu erforschen oder zu erleben. Einzig die Erinnerung an Vergangenes können wir betrachten; diese Erinnerung an vergangenes menschliches Handeln ist der Rohstoff, aus dem durch das Erzählen Geschichte entsteht. Die Forschungsliteratur dazu ist mittlerweile vielfältig und unübersichtlich, aber diese grundlegende Erkenntnis verbleibt zumeist nur in in den Reihen der professionellen Geschichtserzähler.