Elmsburg und Lucklum – der Deutsche Orden in der Elmregion

Christian Karl Frey, Wahrenholz

Als sich der Deutsche Orden 1190 in Akkon im Nahen Osten gründete, war er zunächst eine Spitalbruderschaft. Sein Sinn sollte die Versorgung von Kranken und Verwundeten sein, die es dort damals – im Zeitalter der Kreuzzüge – zu Genüge gab. Als Vorbild dienten die damals schon fast 100 Jahre alten Orden der Templer und Johanniter. Kaufleute aus Lübeck und Bremen schlossen sich zusammen, um ein Feldhospital bei der Belagerung Akkons zu betreiben, das zur Keimzelle des neuen Ritterordens werden sollte. 

Die Tracht der Templer diente auch als Vorbild für die „Brüder von Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem“, wie sich der Orden nannte. Das rote Templerkreuz wurde durch ein schwarzes Tatzenkreuz ersetzt. Zudem übernahm man weitestgehend auch die Organisationsformen der altbekannten Orden. 

Neun Jahre später bestätigte Papst Innozenz III. dem neuen Orden, dass er nun mehr ein kämpfender Ritterorden sei. Zudem verlieh er die Regel, die auch bei den Templern und Johannitern galt; die einstige Spitalgemeinschaft war nun ein geistlicher Ritterorden und vergrößerte schnell seine Besitzungen. Zumeist waren es Schenkungen, die dem Orden seine wirtschaftliche Grundlage gaben. 

Über Schenkungen kam der Deutsche Orden, der sich von seiner lateinischen Bezeichnung Ordo Teutonicus „OT“ abkürzte, auch zu Land und Besitz im Umkreis des Elms.

Die Elmsburg

Pfalzgraf Heinrich schenktedie Elmsburg 1221 den Brüdern des Deutschen Ordens. Die Burg – und besonders die Kirche darin – war zunächst 1213 durch Otto IV. an den Stift Scheverlingenburg geschenkt worden, mit dem sie gemeinsam 1218 an den Stift St. Blasii in Braunschweig gekommen war. Die Burg wurde von Pfalzgraf Heinrich wieder aus der Schenkung gelöst, um den Orden im Herzogtum anzusiedeln. Ursprünglich stammte die Elmsburg aus dem Besitz Heinrich des Löwen; die Vorgeschichte der mittelalterlichen Burg ist unbekannt.

Die Elmsburg lag in einer vorgeschichtlichen Wallanlage, wie es sie in der Region häufig gibt. Der ältere Ringwall hat eine ovale Form. Er umschließt eine Fläche von 270 auf 300 Meter Durchmesser und etwa 7,5 Hektar. In der Wallkrone gemachte Keramikfunde lassen darauf schließen, dass er in der jüngeren vorrömischen Eisenzeit errichtet wurde.

Die Elmsburg selber wurde innerhalb der älteren Befestigung erbaut. Auch sie hat eine ovale Form. Die Durchmesser der Grundfläche betragen 114 auf 137 Meter. Ein steiler Hang im Nordosten bietet natürlichen Schutz; die Form gab der Burg eine Wall-Graben-Befestigung, die wahrscheinlich mit einer Palisade gekrönt war. Von der äußeren Befestigung sind heute noch einige Überreste sichtbar. 

Die Kirche, die Gegenstand der ersten uns historische überlieferten Nachricht ist, hat mehrere Bauphasen. Die erste, aus rotem Sandstein errichtete Kirche, hatte eine T-Form. Sie hatte eine große Mittelapsis und zwei kleinere Seitenabsiden. Dieser Bau wurde in das 12. Jahrhundert datiert und dürfte auch den Brüdern des Deutschen Ordens als erster Kirchenbau gedient haben.

Auf dieser ersten nachweisbaren Kirche wurde im 13. Jahrhundert, also unter der Regie des Deutschen Ordens, ein Neubau errichtet. Der schlichte Rechteckbau hatte eine Apsis. Er wurde aus lokalem Sandstein erbaut. Zu dieser Bauphase gehören auch acht Bestattungen, die allerdings ohne Beigaben waren und so nicht weiter aussagekräftig sind.

In einer dritten – und letzten – Bauphase wurde eine Trennwand im Westen des Gebäudes eingezogen, die den Kirchenraum unterteilte. Im rechten Winkel anschließend befand sich ein rechteckiger, langer Anbau, der ebenfalls in das 13. Jahrhundert datiert wird. Zusätzlich gehört zu der Burg ein starker Turm mit einer Seitenlänge von 16 Metern. 

Der Deutsche Orden errichtete in dieser ersten Besitzung im Umfeld von Braunschweig eine Kommende. Schon im Jahr 1225 wird in den Urkunden ein preceptor auf der Burg genannt, was man als im Zusammenhang mit dem Deutschen Orden als Vorsteher verstehen darf; eigentlich wurden damit Lehrer bezeichnet. Die fratres hospitalis sancte Marie Hierosolymitanis domus Teutonica in Elmesborch, wie sie eine Urkunde aus dem Jahr 1257 nennt, gelangten schnell über Schenkungen in weiteren Besitz. Im Jahr 1239 bekamen die Brüder Wälder in der Nähe der Burg übertragen, in späteren Jahren kamen immer mehr Besitzungen dazu. So waren nach nur wenigen Jahrzehnten viele Orte in der direkten Umgebung der Burg im Besitz der Brüder. Viele lokale Adelsfamilien beteiligten sich an den Schenkungen; neben den Braunschweiger Herzogen waren es auch die Familien von Heimburg und von Wernigerode, die immer wieder in den Schenkungsurkunden auftauchten. 

Im Jahr 1260 bekamen die Brüder zum ersten Mal Besitz in Lucklum zugesprochen, schnell verlagerte sich der Schwerpunkt der Aktivitäten des Deutschen Ordens dorthin. Ein Komtur in Lucklum trat schon ab 1260 in Erscheinung; dieser war der Verwalter des Ordens vor Ort. Zuletzt wurde die Elmsburg als Besitz des Deutschen Ordens im Jahr 1352 genannt. In einem Streit mit dem Braunschweiger Herzog Magnus I. verlor der Orden die Burg im Jahr 1355; 1364 wurde sie jedoch mit allem Besitz wieder zurückgegeben. Eine Entschädigung von 100 Mark war durch den Herzog ebenfalls zu zahlen. Von diesem Zeitpunkt wurde sie an eine lokale Adelsfamilie verlehnt. Später bekamen auch bürgerliche Familien die Burg zu Lehen. Sie brannte 1572 ab und wurde aufgegeben. Der Besitz, der zur Burg gehörte, wurde von Lucklum aus verwaltet. Dazu gehörte Land und Einkünfte in Twieflingen und Dobbeln sowie vereinzelte Hofstellen in Wobeck.

Lucklum

Im Jahr 1260 bekam der Orden zunächst sex mansos in pago et in campo Luckenem, also sechs Hufen Land in Gebiet und auf dem Hof Lucklum, die die Basis für die weitere Entwicklungen sein sollten. Zunächst zeigte sich der Bischof von Halberstadt den Brüdern des Deutschen Ordens sehr zugetan, aus dem reichen Besitz des Bistums erhielten sie einiges übertragen, wie auch die Kirche in Lucklum. 

Gegenüber der eher versteckt liegenden Elmsburg hatte Lucklum einen entscheidenden Vorteil: Es lag sehr verkehrsgünstig. Dieses erleichterte den Brüdern die Teilnahme an Kommunikations- und Warenverkehr erheblich. Schon 1264 wurde der Sitz der Kommende nach Lucklum vollzogen. Sie übernahmen neben der Seelsorge in der Kirche auch die örtliche Gerichtsbarkeit, so wurde es ihnen 1295 erlaubt ein Halseisen zu installieren, mit dem man Gefangene fixieren konnte. Im Jahr 1311 erhielten die Brüder in Lucklum dann die volle Gerichtsbarkeit. Schließlich wurde Lucklum der Sitz der Landkomtur der Ballei Sachsen, also der Hauptsitz der Ordensprovinz; seine Vorsteher waren auch die der Ordensprovinz.

Neben den Entwicklungen im wirtschaftlichen, rechtlichen und geistlichen Bereich bauten die Brüder den Hof in Lucklum immer weiter aus. Da es sich bei dem Deutschen Orden um einen kämpfenden, geistlichen Ritterorden handelte, war ein einfacher Hof eine wenig standesgemäße Behausung. Der Deutsche Orden lebte auf Burgen – so wurde auch der Besitz in Lucklum in eine Burg umgebaut. Sie umgaben den Hof mit Mauern und Gräben und befestigten ihn somit. Der Herzog von Braunschweig protestierte, denn er sah darin sein Befestigungsrecht verletzt. Die Brüder zahlten 14 Mark in Silber und konnten einen Vergleich mit dem Herzog erzielen, durch den der Bau bestehen bleiben durfte. Der Bau von Burgen war rechtlich ziemlich genau geregelt; der Sachsenspiegel nennt uns einige interessante Festlegungen dazu. So durfte man eine Mauer ohne Genehmigung nur so hoch bauen, wie ein Reiter auf einem Pferd mit seinem Schwert reichen konnte. Johann von Buch, der als Kanzler des Markgrafen von Brandenburg ein Glossar zum Sachsenspiegel verfasste, erklärt, dieses sei so, weil das Recht zum Bau von Burgen durch die Ritter geschaffen worden seien – deswegen sei auch dieses Maß anzunehmen. 

Eine Burg war aber nicht nur ein Symbol von Herrschaft und Macht, sie war auch ein militärischer Komplex, gedacht und konstruiert dazu, um Ressourcen und Personal zu schützen und so die nach außen kommunizierte Herrschaft und Macht dauerhaft zu sichern. Das vorher nicht die Erlaubnis des Herzogs eingeholt worden war, der als Landrichter dazu befragt hätte werden müssen, lässt auf ein mittlerweile ausgeprägtes Selbstbewusstsein der Brüder schließen.

Im Jahr 1321 wurde es den Brüdern erlaubt, in die Burg zwei Schießscharten zu bauen und die Tore zu sperren. Die Urkunde, in der diese Regerlungen niedergelegt wurden, betont aber ausdrücklich, dass ohne die Erlaubnis des Herzogs keine weiteren fortifikatorischen Arbeiten ausgeführt werden dürfen; der Konflikt um den Burgenbau scheint also unter der Oberfläche weiter geschwelt zu haben.

Konsolidierung und Niedergang

Am Ende des ersten Viertel des 14. Jahrhunderts gehörte der gesamte Ort Lucklum dem Deutschen Orden. Dieser bekam nun auch vom Bischof von Halberstadt das Recht, neue Siedlungen anzulegen und Land urbar zu machen. Zur Kommende Lucklum gehörte mittlerweile auch eine Schule – eine Urkunde berichtet von einer porticus scholae. Die Kirchengemeinde Lucklum wurde 1314 aufgelöst, die Reste der Gemeinde wurden nach Hachum und Evessen umgepfarrt.

Die Besitzungen wuchsen im Laufe des Mittelalters immer weiter an, so dass die Brüder mehr und mehr Schwierigkeiten hatten, allen Besitz selbst zu bewirtschaften. Man ging dazu über, immer mehr Besitzungen zu verpachten. Auch meierte man Bauern an, die dann für den Orden arbeiteten. 

Als der Deutsche Orden 1410 die Schlacht bei Tannenberg verlor, hatte dieses auch Auswirkungen auf die Ballei Sachsen und ihren Hauptsitz in Lucklum. Die Brüder verschuldeten sich und verloren stark an Ansehen. Die Mission des Deutschen Ordens im Osten war gescheitert und die Existenz des Ordensstaates in Frage gestellt; die Unterstützung durch die Fürsten des Reiches ließ nach, was den Deutschen Orden im Ganzen schwächte.

Im Zuge der Reformation wurde der Orden nicht enteignet, jedoch wurde ein evangelischer Priester bestellt, der die Seelsorge übernahm. Im Jahr 1542 wurde die Kommende schließlich evangelisch und zu einem Stift umgewidmet. In der Folge wurde sie mehr und mehr zum Wohnsitz älterer, unverheirateter Herren. Langsam nahm die Bedeutung des Schaffens der Ordensbrüder für ihre nähere Umgebung ab. Der Dreißigjährige Krieg ließ schließlich das wirtschaftliche Handeln ganz zum Erliegen kommen. Die Burg und die gesamte Kommende litt stark unter den Umständen; erst sehr viel später sollte sich Lucklum von den Kriegsfolgen erholen.

Durch einem Neuaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg gelang es dem Deutschen Orden, den Wirtschaftsbetrieb neu zu beleben. Land- und Forstwirtschaft prosperierten zunächst, jedoch beeinflusste die jeweilige Wirtschaftsführung des amtierenden Komturs das Gelingen stark – nicht jedem Vorsteher gelang es, die Herausforderungen seiner Zeit zu meistern. 

Säkularisierung und Verkauf

Die französischen Eroberungsfeldzüge im beginnenden 19. Jahrhundert brachte einige Veränderungen in die Region, die sich als sehr wirkmächtig erweisen sollten, auch wenn die Zeit der Herrschaft Napoleons und seiner Vasallen nicht lange währte. Neben der Neuordnung der politischen Einheiten, die sich nicht an den alten Traditionen und herkömmlichen Einteilungen orientierte, griff die französische Herrschaft tiefer in das gesellschaftliche Gefüge des alten deutschen Reiches ein. Im Jahr 1809 wurde säkularisierte Napoleon den Deutschen Orden; der gesamte Besitz wurde dem König von Westfalen übertragen, dem jüngsten Bruder Napoleons mit Namen Jêrome.

Dieser verkaufte den Besitz in Lucklum einem Amtmann, der den Besitz zu einem Rittergut machte, was ihm eine besondere Rechtsstellung verschaffte. Eine Aufteilung nach dem Zweiten Weltkrieg, die den Besitz wieder in seine ursprünglichen zwei Teile zerlegte – den Bereich, der zur Elmsburg gehört und der um Lucklum – und eine Reihe weiterer Verkäufe brachte den Besitz in die Hände der heutigen Eigentümer.

Auch wenn sich die Gestalt der Burgen Elmsburg und Lucklum in den vergangenen Jahrhunderten stark verändert haben, sie sind doch bewahrens- und bemerkenswerte Zeugen einer Geschichte, die vor über 800 Jahren in einem Feldlazarett im Heiligen Land begann. Die Ansiedlung der Brüder des Deutschen Ordens durch die Schenkung der Elmsburg prägte die Entwicklung der Landschaft südlich des Elms nachhaltig. 

Die Elmsburg wurde jüngst als Denkmal erkannt, in dem großes Potential schlummert. Die Erhaltung und Erschließung dieser Anlage ist ein lohnenswerte Aufgabe. Hier gilt es die vielschichtige Geschichte dieses Ortes zu erforschen, zu konservieren und angemessen zu präsentieren. Das Rittergut Lucklum, das seine jetzige Gestalt in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg und den Jahrhunderten danach erlangte und bewahren konnte, ist ein Erinnerungsort für das Wirken des Deutschen Ordens in unserer Region.

Literatur: 

Wilhelm Bornstedt, Der Südliche Elm, des „Deutschen Ordens“ geographischer und geschichtlicher Raum im Braunschweigischen: Elmsburg, Krimmelburg, Braunschweig 1987.

Wilhelm Bornstedt, Elmsburg, Reitling, Lucklum und Weddingen: ein Beitrag zur Geographie und Geschichte des Deutschen Ordens und seiner Vorstätten im Braunschweigischen (Denkmalpflege und Geschichte 20), Braunschweig 1973, S. 14-25.

Christian Frey, Lucklum – Deutscher Orden (Ca. 1264 bis 1809), in: Niedersächsisches Klosterbuch, hg. v. Josef Dolle (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 56.1), Bielefeld 2012, S. 934-938 (mit weiterer Literatur).

Christian Frey, Elmsburg – Deutscher Orden (Ca. 1221 bis ca. 1400),  in: Niedersächsisches Klosterbuch, hg. v. Josef Dolle (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 56.1), Bielefeld 2012, S. 386-388 (mit weiterer Literatur). 

Hans-Wilhelm Heine, Die Elmsburg über Twieflingen, in: Das Braunschweiger Land (Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland 34), Mainz 1997, S. 273-276.

Hans Helmuth Rimpau, Deutschordenskommende Lucklum (Burgen und Schlösser des Braunschweiger Landes 6), Braunschweig 1958.

Christoph Römer, Deutschordenskommende Lucklum (Große Baudenkmäler Heft 412), München/Berlin 1991.

Hans Adolf Schultz, Verborgene historische Stätten. Die Elmsburg, in: Braunschweigische Heimat 62 (1976), S. 76-80. 

Hans-Adolf Schultz, Burgen und Schlösser des Braunschweiger Landes, Braunschweig 1980, S. 51-53, 187. 

Hans Adolf Schultz, Elmsburg im Elm bei Schöningen, Kreis Helmstedt, in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 31 (1962), S. 184 f.

Gesine Schwarz, Die Rittersitze des alten Landes Braunschweig, Braunschweig 2008, S. 85-92.