Denkmale in Kontexten – Überlegungen zum „Monumentop“

Jeder kennt das Biotop. Abgeleitet vom griechischen βίος für „Leben“ und τόπος für „Raum“ bezeichnet der Begriff die kleinste Einheit der Biosphäre: den Lebensraum als Ort einer Lebensgemeinschaft. Entstanden ist diese wissenschaftliche Wortneuschöpfung in einer Diskussion im frühen 20. Jahrhundert, als um Begrifflichkeiten zur Bezeichnung von biologischen Einheiten gerungen wurde – abgeleitet vom „Zootop“ wurde „Biotop“ von Friedrich Dahl geprägt, der sich gegen den Begriff „Biosynöcie“ wehrte:

Will man nicht nur die Tiere, sondern auch die Pflanzen in die Bezeichnung einschließen, so kann man die deutschen Worte »Gewässer- und Geländearten« als »Biotope» wiedergeben.

Friedrich Dahl: Grundsätze und Grundbegriffe der biocönotischen Forschung. In: Zoologischer Anzeiger 33 (1908), Nr. 11: S. 349–353, S. 351.

Die in dem Begriff „Biotop“ erkennbar werdende wissenschaftliche Weltsicht, Kontexte wie Räume und Beziehungen in die Forschung mit einzubeziehen hat seit dem Fin de Siècle eine große Wirkmächtigkeit entwickelt.

Im Laufe der Genese der westlichen Wissenschaften wurde das Erkennen von Zusammenhängen auch über Grenzen der eignen Disziplin hinaus immer wichtiger – der linguistic turn, der Siegeszug der Sozialwissenschaften, der Einfluss der Philosophie und Psychologie auf die Geisteswissenschaften sind alle Ausdruck dieser Strömung.

Im Zuge des spatial turn, der in den 1980er Jahren den Raum als wissenschaftlich relevante Größe in vielen geisteswissenschaftlichen Disziplinen etablierte, wurde auch das Suffix „-top“ wieder interessant. Das „Soziotop“ ist ein gutes Beispiel dafür. In der Wikipedia ist dazu zu lesen:

Unter Soziotop […] versteht man den Lebensraum einer Gruppe bzw. einen Lebensraum, der die Entwicklung einer Gruppe besonders fördert. In Soziotopen gibt es einen engen Zusammenhang zwischen der Gemeinschaft und dem von ihnen bewohnten Raum. Der Begriff wird aber manchmal auch – entgegen dem Wortsinn – zur Bezeichnung eines sozialen Milieus oder einer Subkultur ohne Bezug auf eine feste räumliche Bindung benutzt. 

https://de.wikipedia.org/wiki/Soziotop

Erkennbar wird, dass der Begriff über den bloßen Raum hinausgewachsen ist. Den drei räumlichen Dimensionen wurden weitere hinzugefügt: die Beziehungen der Bestandteile untereinander, die Bindungen zueinander kamen im Verständnis des „-tops“ hinzu und ermöglichten es, so eine Entität zu bezeichnen, die eine Gemeinschaft aus wie auch immer gearteten Untereinheiten darstellt.

Was meine ich aber nun mit „Monumentop“? Betrachtet man ein Denkmal aus einer wissenschaftlichen Perspektive, erscheinen die Kontexte und Zusammenhänge als besonders interessant für das Verständnis desselben. Natürlich ist ein Denkmal per definitionem räumlich verortet und auch räumlich kontextualisiert – aber sich in der forschenden Betrachtung nur darauf zu beschränken griffe viel zu kurz. Die Beziehungen in den Dimensionen sozialer, kultureller, pädagogischer, politischer, ökonomischer Art – und vielen weiteren – machen ein Denkmal erst nachhaltig und umfänglich verständlich. Und so soll auch der Begriff „Monumentop“ verstanden sein: Das Denkmal – die Denkmale – in ihren Beziehungen untereinander und Bindungen zueinander, in ihren soziokulturellen und weiteren vielfältigen Zusammenhängen als historischer Resonanz- und Reflektionsraum.