Gedanken über Kooperatives Lernen an Hochschulen

Seminare an Universitäten und Hochschulen sind in den meisten Fällen sehr konservativ gestaltet. Lehrende aller Fakultäten setzen bei der Vermittlung auf Methoden, die sie selber im Lehrbetrieb kennen gelernt haben. In Vorlesungen wird Wissen durch einen Vortrag vermittelt, in Seminaren und Übungen wird die praktische Anwendung von Wissen und Methoden erlernt und erprobt.

Was kommt dabei heraus? Wissenschaftler wie ich, sagen die einen. Aber eine immer größer werdende Gruppe und Lehrenden und Praktikern meint, dass sich an diesem System etwas grundlegend ändern muss.

Das Wissenschaftssystem ist kompetetiv gestaltet. Es wird um Forschungsgelder und Aufmerksamkeit gestritten, um die Menge an Zitationen und Mitarbeiterstellen (natürlich halbe befristete). Wäre ein System, dass von Anfang an sehr viel mehr auf Kooperation als auf Kompetition setzt nicht sehr viel erstrebenswerter?

Jeder, der in der Uni je ein Seminar besucht hat, kennt den Ablauf eines solchen. In einem Raum sitzen zu Beginn des Semesters eine bestimmte Menge an mehr oder weniger motivierten Studierenden. Vorne steht ein Lehrender, der auf Semesterapparate hinweist, die Notwendigkeit der Heimlektüre preist und mit dem Finger auf die Anwesenheitsliste tippt. Je weiter das Semester fortschreitet, desto lichter werden die Reihen, desto weniger Studierende kommen vorbereitet in die Sitzung und am Ende ist nur noch die Hälfte anwesend. Muss das so sein? Ich denke nicht.

Durch meine Tätigkeit an der Neuen Schule Wolfsburg habe ich die Prinzipien des Kooperativen Lernens kennen und schätzen gelernt.  Kooperatives Lernen bindet alle Lerner in den Lernprozess ein, anstatt einige wenige, die sich melden, zu bevorzugen. Es aktiviert die Lernenden und schließt niemanden aus. Zudem ist es einfach anzuwenden, einzubinden und zu skalieren.

Wie funktioniert das? Es ist ein einfacher Dreischritt, der jeden Arbeitsauftrag gliedert: Think-Pair-Share. Jede Aufgabe wird zuerst in Einzelarbeit gelöst, dann in Partner- oder Gruppenarbeit abgeglichen und ergänzt und dann der ganzen Gruppe vorgestellt.

Dabei gilt es ein paar wichtige Spielregeln zu beachten. Zunächst müssen die Bearbeitungszeiten klar vorgegeben sein. Bsp: „Bitte denken Sie darüber nach, was die Gründe für den Burgenbau waren. Sie haben dafür fünf Minuten Zeit!“. Jeder Teilnehmer ist nun aufgerufen, sich eigenständig und intensiv mit dem Arbeitsauftrag auseinanderzusetzen. Nach Ablauf dieser Zeit folgt die Austauschphase. „Tauschen Sie sich jetzt mit ihrem rechten Nachbarn über ihr Ergebnis aus! Dafür stehen Ihnen zwei Minuten zur Verfügung.“ Die Austauschphase sorgt dafür, dass alle Teilnehmer in den Lernprozess einbezogen werden. Hier wird das eigene Ergebnis erprobt, abgeglichen und ergänzt. Das gegenseitige Erklären hilft zudem, das Erarbeitete erneut zu durchdenken und zu verinnerlichen. Die folgende Präsentationsphase leitet die Diskussion des ganzen Seminars ein. Hier ist es jedoch unerlässlich, einen Teilnehmer einfach aufzurufen. Es kommt nicht darauf an, wer sich als erstes meldet, denn das bevorzugt einige wenige. Man kann einfach die Teilnehmerliste nutzen: „Frau Müller, bitte stellen Sie uns Ihr Ergebnis vor.“ Wenn Frau Müller fertig ist, können andere ergänzen und kommentieren, eine Diskussion kommt so schneller in Gang und kann fundierter abnlaufen, weil alle sich am Denkprozess beteiligen mussten.

Den Dreischritt „Think-Pair-Share“ einzuführen, ist einfach, schnell und leicht. Er ist mit allen Arbeitsformaten kompatibel und beliebig skalierbar. Es lässt sich bspw. eine kurze Quelle lesen und mit diesem Prinzip reflektieren, oder eine eingene Meinung zu einer Forschungsfrage bilden.